Die Theorie von der unterirdischen Nazi-Fabrik in Nachterstedt (oder was davon übrig bleibt)

Vor einem Jahr am 18. Juli 2009 rutschte in Nachterstedt ein Teil eines Hanges in den Concordia-See, der aus einem ehemaligen Braunkohle-Tagebau entstehen soll. Drei Menschen wurden dabei verschüttet und bis heute nicht gefunden. Auch nach einem Jahr ist die genaue Unglücksursache nicht klar, weshalb es einige Spekulationen darüber gibt.

Der „Stern“ überrascht dabei mit einer ganz besonderen Theorie über eine unterirdische Nazi-Fabrik, die den Erdrutsch ausgelöst haben soll. Was bleibt von der Theorie übrig wenn man den teilweise verwirrend geschriebenen Artikel mal genauer analysiert.

Es gibt eine Skizze aus dem Jahre 1944 auf der Anlagen in Nachterstedt verzeichnet sind. Diese wurde aus Luftbildern von Aufklärungsflügen der Alliierten angefertigt, ergänzt um Ergebnisse die aus Befragung von Kriegsgefangenen gewonnen wurden (wie den im Artikel genannten Schützen Plumeyer).  Wenn man die Skizze sich näher ansieht und den Artikel liest, so fallen einem schon ein paar Merkwürdigkeiten auf. Auf der Skizze geht es um eine „Gas dump“, die in dem Waldgebiet rechts unten sein soll. „Dump“ würde ich als „Müllkippe“ übersetzen, es könnte aber auch ein Lager sein. In dem Artikel wird aber über eine „Gas Plant“, also eine Fabrik, geschrieben. Der eigentlich Zweck der Anlage, auch von den nummerierten Objekten links oben, geht aus dem Artikel nicht hervor. Auch wüsste ich nicht was eine Müllkippe für Gas sein soll (so etwas wie CO2-Verpressung gab es schließlich damals nicht).

Könnte eine im Wald vorhandene Anlage etwas mit dem Erdrutsch zu tun haben?

Dazu packe man einfach ein gutes Luftbild des Erdrutsches als Bild-Layer in Google-Earth. Ein gutes Bild findet man bei der DLR. Die gelbe Linie in der Aufnahme vom 22. Juli 2009 ist der ungefähre Verlauf der Böschungskante im Mai 2006, also lange vor dem Erdrutsch. Alles Gelände nördlich davon wurde also entweder bei der Förderung der Braunkohle oder bei der anschließenden Sanierung des Geländes zur Anlage des Sees „umgepflügt“. In dem berich dürften also keinerlei alte Stollen o.ä. vorhanden sein. Die rote Linie ist die Bruchkante vom 22. Juli 2009. Für Google-Earth gibt es natürlich diese KMZ-Datei.

Nach dem Erdrutsch von Nachterstedt (mit DLR-Aufnahme)

Auf dieses Bild packe man jetzt die Skizze aus dem Jahr 1944. Wie so oft bei alten halbwegs maßstäblichen Skizzen und Karten findet man immer Anhaltspunkte um diese richtig den den Luftbilden von heute auszurichten. Der Verlauf von Straßen, Eisenbahnlinien, Grundstücksgrenzen auf Äckern usw. ändert sich halt nicht überall, so das dieses in der Regel nicht als zu schwierig ist die alten Bilder relativ lagegenau auszurichten.

Um dieses zu sehen schalte man jetzt bei Google-Earth den Lageplan von 1944 dazu.

Skizze aus dem Jahr 1944 im Erdrutschgebiet von Nachterstedt

Wie man sieht ist war in dem vom Erdrutsch betroffenen Gebiet Gleise einer Anschlußbahn. Unter den Gleisen wird man kaum Stollen für eine unterirdische Anlage wofür auch immer angelegt haben. Der mit „Entrance“ beschrifte Eingang zu der Anlage ist gerade so außerhalb des Erdrutschgebietes, ebenso wie die eigentliche Anlage (auch auf der Skizze mit „Gas Dump (camuflaged [unleserlich])“ beschriftet) ist in dem schraffierten Bereich. Mein laienhaftes Verständnis von Erdrutschen sagt mir, wenn dort die Ursache für den Erdrutsch zu suchen wäre, so hätte man davon etwas an der Oberfläche z.B. als Tagesbruch gesehen oder der Teil wäre mit abgerutscht.

Wenn es in dem Gelände tatsächlich irgendwelche Stollen geben sollte, so ist es fraglich ob diese der Auslöser dafür waren. Abgesehen davon dürften diese Stollen auch in den entsprechenden Karten beim Bergamt verzeichnet sein.

Die nummerierten Objekte links oben in der Skizze von 1944 haben auch nichts damit zu tun, denn diese wurden schon während des Tagebaus „umgepflügt“.

Unstrittig ist nur das es im Nachbarort Frose auf der anderen Seite des Waldes eine Farbik der IG Farben gab, in der u.a. Zusatzstoffe (Tetraethylblei) für Flugbenzin hergestellt wurden. Das Gelände wurde bis 2002 saniert. Ich halte es aber für Unwahrscheinlich das Stollen von dieser Anlage 2 km weit bis in den Nachbarort gereicht haben.

Wie so oft wird wird halt viel zusammengesponnen und behauptet. Und wenn man dann noch das Buzz-Wort „Nazi-Fabrik“ dazu bringt, so ist einem Aufmerksamkeit in den Medien gewiss. Auch wenn man eigentlich wenig neues zur Lösung des Rätsels beitragen kann.

Bratwurstjournalismus

Der hochwertige Qualitätsjournalismus der Schweriner Volkszeitung (die hier in Rostock als Norddeutsche Neueste Nachrichten verbreitet wird) erlebte in den vergangenen Tagen einen neuen Höhepunkt.  Im Rahmen der Sommertour 2010 „Wir grill’n Euch eins!“ wurden verschiedene Orte in MeckPomm besucht und dort dem interessierten Publikum Bratwürste verteuilt. Um diese wichtige Aktion auch würdig abzuschließen, füllte man am letzten Sonnabend (10. Juli) eine ganze Doppelseite mit freudigen Bratwurstessern.

Begeisterte Bratwurstesser

Begeisterte Bratwurstesser

Übrigens gab es 150 Einsendungen mit Grillrezepten (wie man in der heutigen Ausgabe nachlesen kann, wo schon wieder eine ganze Seite mit dieser wichtigen Aktion gefüllt wurde).

So ist er, der hochwertige Lokal-Qualitätsjournalismus im Jahr 2010. Ich bin begeistert.